Die Geschichte der Fliesen liest sich wie eine spannende Reise durch Raum und Zeit, die uns in die faszinierendsten Ecken der Welt führt. Sie beginnt vor vor mehr als 5000 Jahren im Vorderen Orient und Nordafrika, wo die ersten Menschen auf die glorreiche Idee kamen, Tonscherben nicht nur zum Töpfern, sondern auch zur Verkleidung von Wänden und Böden zu nutzen. Es war der Beginn einer großartigen Erfindung, die sich über Jahrtausende und Kontinente hinweg entwickeln sollte.
Ägypten: Die Geburtsstätte der Keramikfliese
Schon um 4000 v. Chr. erkannten die alten Ägypter das Potenzial von Ton. Denn dieser war nicht nur äußerst stabil, sondern auch dekorativ. Sie verzierten ihre monumentalen Bauwerke mit kunstvoll glasierten Fliesen in einem intensiven Blau, das aus Kupfer gewonnen wurde. Doch die Ägypter wären nicht die alten Ägypter, wenn sie es dabei belassen hätten: Vor dem Glasieren ritzten sie kunstvolle Ornamente in den Ton – ein Vorläufer moderner Kunstkeramik!
Rom: Fußbodenheizung und Ziegelböden – die Römer revolutionieren den Wohnkomfort
Die Römer machten Fliesen nicht nur ästhetisch, sondern auch praktisch. Sie legten ihre Thermen und luxuriösen Villen mit Ziegelböden aus und erfanden nebenbei die Fußbodenheizung! Dank ihres Hypocaustums, einem raffinierten System aus Pfeilern und Hohlräumen, konnte die Wärme von Feuerstellen direkt unter die Fliesen geleitet werden. Eine warme Überraschung für kalte Füße im alten Rom. So wurde der Fliesenboden nicht nur zu einem Zeichen von Luxus, sondern auch zu einer praktischen Innovation, die den Wohnkomfort revolutionierte.
China: Die Wiege der feinen Keramik
Während in Rom noch gefeuert wurde, entstand im fernen China die hohe Kunst der Keramik. Im 2. Jahrtausend v. Chr. entwickelten die Chinesen feines, weißes Steingut, das sie in alle Welt exportierten. Besonders im damaligen Persien wurden diese Fliesen geschätzt und von dort traten sie ihre Reise nach Europa an. China wurde damit zu einem Zentrum der Keramikproduktion, dessen Einfluss bis heute spürbar ist.
Persien: Die Blüte der Fliesenkunst
In Persien, dem heutigen Iran, erlebte die Fliese ihre wahre Blütezeit. Künstler perfektionierten Glasuren, schufen kunstvolle Mosaike und verhalfen der Fliese zu einem unvergleichlichen Siegeszug. Denn diese kunstvollen Werke schmückten die Paläste und Moscheen der islamischen Welt und prägten den Baustil der Region. Später brachten die Mauren im 8. Jahrhundert n. Chr. diese Kunst nach Spanien, wo sie prächtige Gebäude wie die Alhambra mit farbenfrohen Fliesenornamenten schmückten.
Spanien und Portugal: Die Fliesen erobern Europa
In Spanien entstanden die berühmten Mosaike von Sevilla, die ganze Gebäude in leuchtende Muster verwandelten. In Portugal wurden die "Azulejos", bunte quadratische Keramikfliesen, zum Wahrzeichen der Städte. Sie zierten nicht nur die Wände der Paläste, sondern auch die Fassaden der Wohnhäuser – und das bis heute!

Europa: Die Fliese als Bilderbibel des Mittelalters
Von Spanien aus eroberte die Fliese ganz Europa. Im Mittelalter zierten bemalte Kacheln die Kirchen und erzählten biblische Geschichten für die, die nicht lesen konnten. Und im 17. und 18. Jahrhundert waren die berühmten Delfter Kacheln aus Holland, mit ihren feinen blauen Blumen- und Landschaftsmotiven, ein absolutes Must-have für elegante Wohnhäuser. Diese handbemalten Fliesen wurden zu einem Symbol für Wohlstand und Raffinesse. Die Delfter Kacheln zierten Kamine, Wandverkleidungen und Böden und waren in vielen europäischen Ländern so beliebt, dass sie auch außerhalb Hollands kopiert wurden.
Großbritannien: Die moderne Fliese wird geboren
Mit der industriellen Revolution kam die Massenproduktion und Großbritannien führte im 18. und 19. Jahrhundert neue Verfahren für die Fliesenherstellung ein. Nun konnten Fliesen auch in großen Mengen hergestellt werden. Die Einführung von Schablonen und Abziehbildern vereinfachte die Bemalung und machte Fliesen auch für die breitere Bevölkerung erschwinglich. Was einst ein Luxusgut war, wurde nun zu einem Massenprodukt, das in vielen Häusern Einzug hielt – vor allem in Badezimmern, Küchen und Fluren.
Deutschland: Mettlacher Platten und der Aufstieg der Fliesenleger
In Deutschland brachte Villeroy & Boch ab 1852 die industriell gefertigten Mettlacher Platten auf den Markt, die jahrzehntelang als Inbegriff von Bodenfliesen galten. Mit der steigenden Nachfrage wuchs auch die Notwendigkeit für spezialisierte Handwerker: Die Fliesenleger waren geboren! Auch farbige und kunstvoll verzierte Wandfliesen kamen in Mode und wurden bald in vielen deutschen Haushalten verwendet.
Heute: Fliesen – modern, vielseitig und unverzichtbar
Die Reise der Fliese ist noch lange nicht zu Ende. Heute finden wir sie in allen möglichen Formen, Farben und Größen – von edlem Feinsteinzeug in Holzoptik bis hin zu riesigen XXL-Platten, die Wände und Böden in schicke Design-Statements verwandeln. Ob drinnen oder draußen, als Wandverkleidung oder Bodenbelag: Fliesen sind längst mehr als nur Baumaterial – sie sind ein Stück Kunstgeschichte, das jeden Raum veredelt.
Heute werden Fliesen mit modernster Technologie hergestellt. Von links: Fliese mit unregelmäßiger Oberfläche Gleeze türkis, Holzoptik Fliese I Roveri Rovere Intenso, Marmoroptik Fliese Artemisa Blanco.